Station 1:
„Steh‘ auf und gehe“
Freundliches Assisi
Der Tag beginnt bei den Waschmaschinen auf dem Campinggelände.
Mein altes Rom Buch erzählt, während ich glücklich auf die Wäsche warte:
„Die angemessene Bewegungsart, ja der fruchtbare Weg ist für den Gast Roms das glückliche Schlendern. Ich möchte jedem, der nach Rom kommt, wer es auch sei, etwas von der pilgerhaften Demut, Ehrfurcht und Unerschütterlichkeit der Herzenswünsche mitteilen, wie die großen Romfahrer aller Zeiten es empfunden haben. Aber mein Gott, wie viel Unheil haben in Rom wie allenthalben auf unserer Welt die Befugten angerichtet“.
In der Nachmittagssonne marschiere ich nach Assisi, Schlendern ohne ein Muss. Das Gefühl des Alleinseins ist da, dagegen hilft eine Aufgabe und Bewegung. Durch die Porta dei Cappuccini geht es beschaulich auf der Via Eremo degli carceri nach Assisi hinein, und es begegnen mir Kirchen, die in Erinnerung bleiben.
Nach der quirligen Piazza Matteoti wartet links die Cattedrale di S. Rufino, mit der schönen Rosette, wo Franziskus und Klara getauft wurden.
„Franziskus hat sich von einer schweren Krankheit etwas erholt, als er auf dem Vorplatz von San Rufino predigt. Nach der Predigt geht er mit Petrus Cathani in die Kirche zurück und befiehlt, ihn (Franziskus) mit einem Strick um den Hals und nackt vor das vor der Kirche wartende Volk zu führen. Zusätzlich soll ein anderer Bruder Franziskus mit einer Schüssel voller Asche überschütten. Franziskus soll dabei dem Volk zugerufen haben: „Ihr glaubt, ich sei ein Heiliger … Doch ich bekenne vor Gott und vor euch, dass ich in dieser meiner Krankheit Fleisch und gewürzte Fleischbrühe gegessen habe.“ (franziskaner.net/san-rufino).
Die Umstehenden, die das Geschehen vor San Rufino beobachten, fühlen sich noch mehr zu Franziskus hingezogen.
„Wenn ich schwach bin, bin ich stark“.
(Paulus 2 Kor 12,10)
Die Chiesa Santa Maria sopra Minerva war ein römischer, und ist jetzt ein Kunsttempel. 1613 übergab der Bischof von Assisi die Kirche an den Dritten Orden des Heiligen Franziskus. In der freskenreichen Carafa Kapelle bewundere ich die Musizierenden Engel von Filippino Lippi.
Der Hauptaltar birgt die Leinwand (tela) von Martin Knöller „Il Morte di San Guiseppe“, der Tod des Heiligen Josef, Heiliger der Totgeweihten, Il Santo dei Moribundi.
Giottos Darstellung des Minerva Tempels
Auf dem Weg zur Basilica San Francesco begegne ich dem Kloster der deutschen Klarissinnen, dem Monastero Santa Croce Clarisse Cappuccine, Via Santa Croce 4. Zum Kloster geht es nur zu Fuß. Stille und Heimatgefühl kommen bei mir auf. Die deutschen Schwestern „beten für die ganze Welt, beherbergen Gäste“ und schenkten mir ein Lächeln. www.santacroceassisi.com bietet schöne Bilder und Texte.
Franziskus hielt sich in der kleinen Kirche Santo Stefano gerne zum Meditieren auf, die im Sommer eine Stätte der Begegnung für deutsche Pilger ist. Im Garten der Kirche, die noch Siesta hält, treffe ich Elisabeth aus Dortmund, die mir Tee und Wasser anbietet. Elisabeth liest den „Heiligen Franziskus“ von Luise Rinser.
Vor dem Haus der Bischofs, bei der schlichten Santa Maria Maggiore entledigte sich Franziskus all‘ seiner Kleider.
„Doch Francesco wartet gar nicht erst ab, bis ein Urteil gesprochen wird. Er geht auf seinen Vater zu, entledigt sich seiner teuren Kleidung, wirft sie ihm vor die Füße, dazu alles Geld, was er noch besitzt, und ruft aus: „Bis heute habe ich dich meinen Vater genannt auf dieser Erde; von nun an will ich sagen: Vater, der du bist im Himmel.“
Quelle
Die Chiesa Nuova steht an der Stelle, wo Franziskus geboren wurde. Das reich werdende Bürgertum macht dem Klerus die Macht streitig. In diese neue Zeit hinein wird 1181 Franziskus geboren, Sohn des reichen Tuchhändlers Pietro Bernadone.
Am Eingang steht ein Willkommen, über das ich mich freue:
„Schwester, Bruder, ich habe Dich erwartet. Herzlich willkommen in dem Haus, wo ich geboren wurde und ich die ersten 24 Jahre meines Lebens verbrachte. Steh‘ auf und gehe“. Als ich in die Chiesa nuova eintrete, singen Pilger das „Laudato Si“. „Francesco non era libero dal preso del suo padre“. Franziskus war nicht frei, weil ihn der Vater hinderte“ verstehe ich aus den Pilgergesprächen.
Die Eltern
Die Nische, in die Franziskus vom Vater gesperrt wurde, die Haustüre, die vom Elternhaus stammen soll, das Geschäft, wo Franziskus Tücher verkaufte. Wegen dieser stillen Orte besuchte ich die Kirche ein zweites Mal, ganz früh am Morgen.
Die Basilika di Santa Chiara beherbergt das berühmte „Kreuz von San Damiano“. Franziskus vermachte es bei seinem Tod Klara, die hier in einem Sarkophag ruht. Lange verweilte ich in dieser schlichten Hallenkirche.
Station 2:
Ein Minipilgerweg führt aus der Mitte von Assisi zur Kapelle San Damiano
In Assisi war der 24-jährige Tuchhändler-Sohn und ehemalige Ritter Franziskus in eine Lebenskrise geraten. Er machte sich auf den Weg zu einer verfallenen Kapelle. Irgendwie war ihm die Freude am Leben abhanden gekommen. Sein bisheriges Leben war aus den Fugen geraten. Bei seiner ersten Erfahrung mit Krieg war er in Perugia in Gefangenschaft geraten. Franziskus hatte zudem Leprakranke umarmt, und hatte damit einen Tabubruch begangen. Aber Menschen, die der Gesellschaft nicht nützten, waren für ihn auch Mit-Menschen.
Er wusste, dass Menschen oft weniger wert waren als Nutztiere; er kannte den Reichtum, der seinen Ausdruck fand in den Geschlechtertürmen von San Gimmiano. Italien war zwischen Arm und Reich gespalten, zwischen der Popolo grasso und der popolo minuto.
Und dann begegnete Franziskus in der alten Landkapelle San Damiano dem byzantinischen Kreuz.
Die Begegnung mit Aussätzigen und das byzantinische Kreuz machten aus dem Tuchhändler-Sohn den Sozial-Revolutionär. „Ich lebte 20 Jahre, als ob es Gott nicht gäbe“, schrieb Franziskus über seine Jugend. Der Legende nach gab Christus von diesem Kreuz herunter dem Suchenden Franziskus eine Aufgabe. „Franziskus, siehst Du nicht, dass mein Haus zerfällt? Komm‘, stell‘ es wieder her für mich”. Franziskus beginnt, ganz praktisch, die Kapelle Stein für Stein aufzubauen“ schrieb der Franziskaner Bruder Franz Josef Kröger in www.franziskaner.net.
Franziskus geht nach San Damiano
Nachdem Franziskus ein Haus Gottes wieder aufgebaut hatte, gab er alles auf, und empfand das Glück der leeren Hände. Und seine Aufbauarbeit mit den leeren Händen in San Damiano mündete in die größte Menschenbewegung der Kirchengeschichte.
Die Entscheidung, als armer Wanderer zu leben, traf Franziskus für sich alleine. Er wollte sich niemandem anschließen. Sondern etwas Eigenes wagen. Doch immer mehr „mindere Brüder“ und Frauen schlossen sich ihm an. Junge Menschen, oft Adelige merkten: „Da lebt jemand etwas vor, das er für richtig hält“. Mit einigen von ihnen geht Franziskus nach Rom, um sich vom Papst die Erlaubnis zu holen, das Wort Gottes verkünden zu dürfen.
Franziskus hat die Kirche kritisiert, ohne sie anzugreifen. Er lebte einfach das Leben von Christus nach. Die Prachtentfaltung im hohen Klerus erreichte damals unvorstellbare Ausmaße. Drei Jahre vor der Geburt des Franziskus beschloss das 3. Laterankonzil: „dass Erzbischöfe auf ihren Reisen nicht mehr als 40 – 50 Pferde bei sich haben sollen“. Franziskus hob die Standesunterschiede auf. Jeder konnte sich ihm anschließen. 100 Jahre früher ließ Hildegard von Bingen nur adelige Töchter in ihre Klöster eintreten.
Schöne Texte und Bilder fand ich auf der Website der Franziskaner www.franziskaner.net
„Für Franziskus war San Damiano ein Rückzugsort besonderer Art, ein Kraftort für seine wunde Seele und seinen leidgeprüften Körper. Hier im Angesicht des Kreuzes und in der Nähe seiner geistlichen Schwester Klara fühlte er sich gut aufgehoben, auch in den Schmerzen seiner Krankheit, auch als er mit seiner Lebensweise unter den eigenen Brüdern auf Widerstand stieß. Es war das Kreuz, an dem er sich immer wieder aufrichten konnte. Im Zeichen des Kreuzes hat er seine Berufung gefunden. Im Zeichen des Kreuzes hat er die Liebe seines Lebens entdeckt. Im Zeichen des Kreuzes hat sein Leben seine Erfüllung gefunden“.
Als Franziskus in der Portiuncula starb, brachte man den Leichnam in die sicheren Mauern von Assisi, nach San Damiano. Dort nahm Klara Abschied. Rechts neben dem Chor geht eine Treppe zum Oratorium und zum Schlafsaal. Hier erhielt Klara auf ihrem Sterbebett die Erlaubnis des Papstes, dass ihr Orden arm leben dürfe. Auf der Treppe zum Oratorium blickt man in den schönen Innenhof des Klosters wo Franziskus, blind und von Schmerzen geplagt, den Sonnengesang vollendet hat. (http://franziskaner.net/der-sonnengesang).
Frate Innocenzo da Palermo (1637) Crocefisso miracoloso
Bild aus dem Gebetsbild, das ich 2012 in San Damiano geschenkt bekam
Seit Franziskus in den Wäldern lebte, schätzte er die Natur als von Gott gegeben, als unseren Bruder und unsere Schwester, die auch wieder zu Gott führen. Durch seine Worte und durch sein Tun wird er zum ersten Umweltschützer. 1219 begleitet er den ersten Kreuzzug, um mit dem Sultan zu sprechen. Sein franziskanischer Weg für Frieden und Versöhnung, für interreligiöse Versöhnung ist heute aktueller denn je.
„In einer Seitenkapelle der Kirche hängt ein weiteres interessantes Kreuz. Man möchte sagen: ein „mehrgesichtiges“ Kreuz. Innozenz von Palermo, Minderbruder und Künstler, hat dieses Kreuz 1637 geschaffen. Auf den ersten Blick ist es eher unauffällig, besitzt aber eine Besonderheit. „Steht man rechts vom Kreuz, dann sieht man, so heißt es, Christus im Todeskampf; steht man genau davor, sieht man ihn sterben; steht man links vom Kruzifix, sieht man das erlöste Gesicht nach dem Sterben. Vielleicht braucht man ein wenig Fantasie, um all das zu sehen. Aber es deutet das Geheimnis des Kreuzes. Das Kreuz – es ist und bleibt das Markenzeichen für San Damiano. Es ist und bleibt auch das Markenzeichen für Franziskus selbst, der später auf La Verna mit den Wundmalen des Gekreuzigten „gesiegelt“ wird“. (www.franziskaner.net/san_damiano).
Station 3:
Portiunkula
Von San Damiano aus sieht man schon die mächtige Basilika von Santa Maria degli Angeli. Sie beherbergt (oder erschlägt) die zarte Kapelle Portiunkula, wo Franziskus starb.
Der Vorort und zugleich der Bahnhof von Assisi (3 km unterhalb der Stadt Assisi) heißt auch Santa Maria degli Angeli. Von dort aus fuhr ich 2012 ans Meer und lief bei der Rückkehr vom Bahnhof zur Basilika Santa Maria degli Angeli. Der Weg ist nicht schön, der Vorplatz laut. Jedoch, ich kam abends an, und langsam kehrte Ruhe kehrte ein in die Basilika „mit den zwei Gesichtern“.
Von San Damiano aus führt der schöne Fuß-Weg in einer Stunde zum Ziel einer eintägigen Minipilger-Reise.
Blick von Santa Maria degli Angeli auf Assisi
„In der Portiunkula hört Franziskus eines Tages während eines Gottesdienstes das Evangelium von der Aussendung der Jünger. Franziskus fühlt sich auf einmal direkt angesprochen. Dabei hatte er diese Worte vermutlich schon oft gehört. Aber es gibt Momente, wo etwas für mich zu sprechen beginnt, wo mir Augen und Herz aufgehen und ich auf einmal Klarheit darüber gewinne, was nun zu tun ist. Wo Worte nicht mehr nur mein Ohr erreichen, sondern mein Herz. Danach weiß er: Das ist es, was ich will, das ist es, was ich suche, das verlange ich aus innerstem Herzen zu tun“ schreibt Bruder Franz Josef Kröger in www.franziskaner.net/portiuncula.
Gebetsheft das ich bei meinem Besuch in der Portiunkula 2012 erhielt.
Lange verweilte ich vor der der Portiunkula, und beobachtete die Menschen, die hier still wurden. Wir sehen Steine, die Franziskus selbst bewegte, um das verfallene Kirchlein aufzubauen. Ich bin dankbar für die Franziskaner Mönche, die sich in der Basilika zeigen und erlebte persönlich das Procedere des vollkommenen Ablasses, über das in der Kirche informiert wird.
Franziskus forderte einen Ablass, frage ich mich beunruhigt? Das Gebetsheft der Portiunkula schreibt, dass Franziskus einen almosenfreien Ablass vom Papst forderte. Helmut Feld schreibt in „Franziskus von Assisi“ dass Franziskus damit indirekt die Kreuzzüge angriff. Christen, die sich damals von ihren Sünden befreien wollten, wurde auf die Kreuzzüge geschickt. Franziskus hat ihnen diese Kreuzzüge erspart, die Sünder brauchten nur nach Assisi pilgern.
„Franziskus wollte alle Menschen von ihrer Schuld befreien und ihnen einen sicheren Weg zum Heil öffnen. Deshalb trotze er dem Papst Honorius III nach seiner Wahl am 18.Juli 1216 in Perugia die mündliche Bestätigung der Vergebung von Portiuncula ab, die ihm, wie er behauptete, Christus selbst gewährt habe. Sie enthielt nicht weniger als die Vergebung aller Sünden, der im Jenseits dafür vorgesehenen Strafen und die gewisse Zusage des Heils für den, der zu der Portiuncula Kapelle pilgerte“. Ein Ablass in diesem Umfang war vom Papst noch nie gewährt worden; er hätte auch kriegerische Unternehmungen wie die Kreuzzüge zur Befreiung des Heiligen Grabes, zu denen die Päpste die Christenheit anstifteten, überflüssig gemacht“. Deshalb geriet der Ablass in Vergessenheit. 1900 hat sich dann der Franziskus Forscher Paul Sabatier von der Echtheit des Wunsches von Franziskus überzeugt. Franziskus wollte erreichen, dass alle Gläubigen, die in der Portiuncula reumütig um die Vergebung ihrer Sünden baten, weiterhin keine Unannehmlichkeiten seitens des Rechts- und Bußsystems der Kirche hätten. Die Kardinäle warnten den Papst, den auch die Ablassgelder wären nicht mehr geflossen, und so wurde der vollkommene Ablass auf den 2. August beschränkt. Heute gilt er as ganze Jahr.“
(Helmut Feld, Franziskus von Assisi)
Maria Verkündigung Assisi, Portiunkula. Altarretabel.
„Steh‘ denen bei, die keinen Halt im Leben haben, denen das tägliche Brot fehlt, die sich in Gefahr oder Versuchung befinden. Hilf den Trauernden und Mutlosen, den Kranken und Sterbenden“.